Ich habe in den letzten Tagen wirklich lange darüber nachgedacht auf die neuesten Entwicklungen in der Rassehundezucht zu reagieren oder es bleiben zu lassen. Grund dafür? Der rigorose Vollzug von Qualzuchtmerkmalen bei Rassehunden in Österreich basierend auf einen Katalog aus sehr fragwürdiger Quelle. Es werden nämlich nahezu alle existenten Rassen dort gelistet. Was das Fass zum Überlaufen bringt ist die Tatsache, dass Untersuchungen bei einigen Rassen gefordert werden die noch gar nicht entwickelt wurden oder auch Verbote ohne wissenschaftliche Grundlage wie nachfolgend erläutert!

Was hat die ganze Qualzuchtdiskussion nun mit meiner favorisierten Hunderasse zu tun? Es ist in ernsthafter Diskussion die Zucht ALLER WEISSEN TIERE in Österreich – ganz pauschal – zu verbieten. Weisse Tiere werden beim Bundesministerium deshalb aufgelistet, weil eine angeborene Taubheit damit assoziiert wird. Wer im Genetik Unterricht aufgepasst hat, dem ist aber klar:

Weiss ist NICHT gleich Weiss!

Bereits im November 2020 habe ich dazu einen kurzen Auszug auf Facebook verfasst. Nachfolgend nun nochmal in aller Ausführlichkeit.

Zuerst aber:

Was hat es nun mit der Taubheit aufgrund Pigmentmangel auf sich?

Bei Hunden mit dieser angeborenen / Pigmentmangel Taubheit kommt es zu einer Degeneration der Blutversorgung im Schneckengang, genauer gesagt der Stria vascularis und zwar eben dann wenn dieses Gewebe keine Pigmentzellen enthält. In weiterer Folge sterben die Haarzellen des Corti-Organs im Schneckengang ab. Der weisse Hund wird taub, weil die Umwandlung der Schallwellen in Nervenimpulse nicht funktioniert. Die genaue Funktion der Pigmentzellen hierbei ist (noch) nicht vollständig geklärt. Melanozyten sind aber hierfür unabdingbar. Diese Taubheit ist vor allem bei weissen Rassen mit Merle-Gen oder Scheckungs-Gen (Piebald) anzutreffen. Selbst bei diesen ist das Weiss aber nur ein Risikofaktor und nicht automatisch mit Taubheit verbunden.

Der Weisse Schäferhund ist KEIN Piebald (S-Locus), hat KEINE Dilution am D-Locus, ist auch KEIN Merle (M-Locus) oder gar Harlequin (H-Locus). Der Weisse Schäferhund ist auch KEIN Albino (C-Locus)!

Warum erscheint die Rasse nun also weiss?

Kurzum: es ist ein Zusammespiel mehrere Loci …

Der Weisse Schäferhund ist im Grundton der Felleigenschaft ein grauer, schwarz/brauner oder schwarzer Schäferhund wie eben beim Deutschen Schäferhund ganz offensichtlich wäre. Dies wird vom A-Locus bestimmt.

Warum sieht man diese Farbe nicht?
Weil der E-Locus in der Hierarchie der Gene ganz oben steht und die Verteilung von Eumelanin (Schwarz/Braun) und Phäomelanin (Rot) bestimmt.

Der Weisse Schäferhund ist am E-Locus mit ee definiert – das bedeutet rezessiv rot – das heisst ein ee Hund verwandelt das Eumelanin in Phäomelanin und erscheint deshalb eigentlich rot über das gesamte Fell (wie auch der Golden Retriever).
Warum sieht man nun wiederum diese rote Farbe nicht?
Hier kommt der I-Locus für die Intensität (der roten Farbe) ins Spiel, der definiert das beim Weissen Schäferhund alle pigmentierten Haare in hellem rot/creamfarben oder weiss erscheinen (wie auch beim Samojeden oder ganz hellen Varianten beim Retriever).

Die Interaktion dieser Loci bestimmt also auch ob ein Weisser Schäferhund die Genetik für Wildfärbung oder einem Reinweissen Phänotyp mitbringt.

… beides Weisse Schäferhunde …
(einer mit High Intensity, der andere mit Low Intensity)

ABER ACHTUNG: Wir reden hierbei nur von der Unterdrückung der Eumelanin Produktion in den Haaren! Die Haut (Schleimhaut, Nasenspiegel, Ballen, Lefzen) hingegen kann sehrwohl Eumelanin bilden. Kurzum: beim weissen Schäferhund kommt es im Gegensatz zu Piebald (zB beim Dalmatiner) und Merle zu keiner Unterdrückung/Fehlen der Melanozyten!

Mehr zur Genetik der Fellfarben: www.doggenetics.co.uk

Mehr zur Taubheit: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4672198/

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32413090/

Nachfolgend noch ein Auszug von einem Genetischen Profil eines von mir gezüchteten Hundes.
Dieser ist im Grundton ein grauer Schäferhund (A-Locus „awa“),
am E-Locus „ee“ (daher wird die Färbung umgewandelt in rot) und
I-Locus in allen 5 Subloci „cream/cream“ … (ohne red) … daher schneeweiss

KEINE Dilution am D-Locus („DD“ = non Dilute, „dd“ = Dilute)

KEIN Piebald am S-Locus („SS“ = Solid coat, no spotting, „sp“ = Piebald, „sw“ = extreme spotting pattern)

KEIN Merle am M-Locus („mm“ = no merle, „M*m“ oder „M*M*“ = Merle)

KEIN Harlequin am H-Locus („hh“ = nicht betroffen, „Hh“ = nur in Kombination mit Merle, „HH“ = Lethal / nicht existent)

KEIN Albino am C-Locus (SLC45A2-Gen):

Kleiner Nachtrag weil ich angesprochen wurde:

Ich selbst habe von insgesamt 15 Hunden bzw. Welpen 5 (= 33 %) stichprobenartig audiometrieren lassen: alle 5 waren beidseitig hörend (=100 %)! 2 der 15 sind mittlerweile tot und haben bis zum letzten Tag keine merkbaren akkustischen Einschränkungen gehabt. 8 der 15 Weissen Schäfer werden im Dezember 9 Jahre und es gibt bis heute auch keinen Hinweis auf eine erworbene Taubheit.